Tipps zum Einschlafen von einem Schlafexperten

Interview mit dem Schlafexperten Prof. Dr. med. h.c. Günther W. Amann-Jennson
Veröffentlicht 15. März 2021

Für wie wichtig halten Sie es, dass das WW Programm „Schlaf“ als vierte Säule integriert?

Ich gratuliere WW dazu, den Schlaf zu berücksichtigen. Schlaf ist existenziell für unsere körperliche, seelische und emotionale Gesundheit und hat entsprechend eine ebenso große Bedeutung, wenn es um das Thema Abnehmen geht.

Warum ist Schlafen so wichtig für uns?

Essen, Trinken, Schlafen – diese Grundbedürfnisse treiben uns nach der Bedürfnispyramide von Maslow am meisten an. Der Schlaf ist deshalb so wichtig, weil sich damit alle Systeme erholen und sogar repariert werden können.

Warum schlafen so viele Menschen schlecht?

Schlafstörungen und Schlafmangel gehören zu den größten Problemen der Menschen unserer Zeit. Sie liegen todmüde im Bett und können nicht schlafen, weil die Gedanken im Kopf kreisen.

So belegen Studien, dass 30 % der Menschen erst nach 2 Stunden einschlafen können.

Ein wesentlicher Faktor ist Stress. Wer gestresst ist, schläft schlecht. Und wer schlecht schläft, ist noch gestresster. Die Menschen befinden sich in einem Teufelskreis – gerade in einer Zeit der permanenten Erreichbarkeit und Reizüberflutung und vor dem Hintergrund der Pandemie noch einmal mehr, da auch damit viele Sorgen verbunden sind. Unsicherheit und Zukunftsangst sind die schlechtesten Schlafbegleiter.

Es gibt aber noch viele andere Gründe, die man in Angriff nehmen kann – Thema Licht im Schlafzimmer, Thema Matratze, Themen wie Elektrosmog und auch die Ernährung, insbesondere auch vor dem Zubettgehen.

Dann hat sich die Pandemie nochmals negativ auf den Schlaf ausgewirkt?

Als Schlafexperte bemerke ich in der Pandemie einen rapiden Anstieg der Nachfrage von Menschen mit Schlafstörungen. Wir befinden uns in einer Krisensituation, die teils starken Stress auslöst. Irgendwann werden wir uns in der Post-Corona-Zeit befinden. Ich bin sicher, dass sich verschiedenste Dinge dann stark verändert haben werden.

So wird auch das Gesundheitsbewusstsein der Menschen insgesamt steigen, was auch das Thema Schlaf noch mehr in den Vordergrund rücken wird. Darum ist es so wichtig, dass WW seinen Mitgliedern Tools anbietet, die den Zusammenhang zwischen Schlaf und Gewicht sowie Möglichkeiten zum Etablieren gesunder Schlafgewohnheiten aufzeigen und auf ihrer Abnahmereise helfen.

Welche Auswirkungen kann es in Bezug auf Gewicht und Wohlbefinden haben, wenn ich schlecht schlafe?

Natürlich kommt das Übergewicht nicht über Nacht. Aber über die Jahre kann es durch einen schlechten Schlaf peu à peu ansteigen. Vor dem Hintergrund, dass 95 % der Menschen – oftmals stressbedingt – einen biologisch unzureichenden Schlaf haben und der Erkenntnis, dass Schlafmangel das Hungergefühl fördert, liegen die Konsequenzen auf der Hand.

Verantwortlich dafür ist das Stresshormon Cortisol, das emotionales Essen begünstigt und große Auswirkungen auf das Sättigungs- und Hungergefühl hat.

So ist das Hungergefühl von Menschen, die schlecht einschlafen oder nicht durchschlafen können, größer. Deshalb essen sie nicht nur mehr als sie müssten.

Sie haben zusätzlich auch insbesondere Lust auf Junk Food und Süßes.

Das hormonelle Gleichgewicht gerät ins Wanken, der Stoffwechsel wird gestört. Wenn der Schlaf leidet, kann es für Betroffene schwierig werden, auf Kurs zu bleiben und den ganzen Tag über gesunde Entscheidungen zu treffen.

Wie kann man die Menschen beim Thema Schlaf unterstützen?

Es gibt diverse Punkte, die Menschen auf dem Weg zu einem erholsameren Schlaf optimieren können. Hier eine Auswahl:

1. Kein Elektrosmog im Schlafzimmer

Wir sind heute zu jeder Zeit online. Das Smartphone sollte aber keinesfalls mit ins Schlafzimmer oder gar Bett genommen werden. Das bläuliche Display-Licht hemmt nicht nur die natürliche Produktion des Schlafhormons Melatonin, zugleich wird dem Gehirn auch Aktivität signalisiert. Körper und Geist kommen so nicht zur Ruhe. Auch bedeutet jede Minute am Handy oder Tablet auch weniger Minuten Schlaf.

2. Licht

Das Licht im Schlafzimmer ist ein ganz wesentlicher Faktor, weil die meisten Lichtquellen einen negativen Einfluss auf den Schlaf haben. Derzeit machen wir Tests mit einem Amber- oder Bernsteinlicht und stellen fest, dass die rot-orange Lichtfarbe auf natürliche Weise die Produktion des Schlafhormons Melatonin erhöht. Auch Kinder schlafen bei diesem Licht besser.

3. Alkohol und Koffein reduzieren

Alkoholkonsum, der über ein Gläschen Rotwein am Abend hinausgeht, hemmt einen tiefen und erholsamen Schlaf. Manch einer mag empfinden, dass man vom Alkohol schneller müde wird. Dabei hemmt Alkohol den REM-Schlaf und damit die Regeneration sowie die Schlafqualität. Der Schlafrhythmus wird gestört und Schnarchen gefördert.

Ähnliches gilt für koffeinhaltige Getränke, denn sie verhindern – kaum im Gehirn angekommen – die Andockung von Adenosin, einem Botenstoff, der müde macht. Ab dem späten Nachmittag sollte daher auf koffeinhaltige Getränke verzichtet werden.

Erfahre mehr über die Bedeutung von REM-Schlaf in unserem Schlafrechner.

4. Regelmäßige Schlafenszeiten

Wer kann, sollte stets zum selben Zeitpunkt schlafen gehen und aufstehen – auch an den Wochenenden. Denn wer sich unter der Woche aus dem Bett quält und das Wochenende zum längeren Ausschlafen nutzt, bringt dadurch seinen Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinander, was sich spätestens am Montagmorgen rächt.

5. Zimmertemperatur

Um einschlafen zu können, muss sich die Körpertemperatur um 0,5 bis 1 Grad absenken. Ein kühles Schlafzimmer mit 16 bis maximal 19 Grad begünstigt dies. Zugleich werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Stoffwechsel zu beschleunigen. Daher empfiehlt es sich auch vor dem Schlafengehen nicht, heiß zu duschen oder zu baden.

6. Bewegung

Wer sich täglich ausreichend bewegt, wird in den meisten Fällen besser schlafen können. Sport und ausreichend Schlaf unterstützen sich gegenseitig. Zudem unterstützt Bewegung natürlich die Gewichtsreduktion und hat positive Effekte auf den Stoffwechsel.

8. Matratze

Natürlich ist auch die richtige Matratze essentiell für einen gesunden Schlaf. Wir müssen uns bewusst machen, wie viel Lebenszeit wir schlafend verbringen, nämlich durchschnittlich 120 Tage im Jahr. Dann relativieren sich die Kosten für höherwertiges Schlafzubehör schnell.

Ich bin der festen Überzeugung: Das Schlafzimmer ist der wichtigste Raum im Leben eines Menschen.

9. Mahlzeiten zur Nacht

Leicht verdauliche Menüs können zu einem besseren Schlaf verhelfen, da sie den Verdauungstrakt nicht belasten. Lebensmittel wie Fisch, Fleisch, Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse und Eier sind beispielsweise reich an Eiweiß und damit besonders bekömmlich.

10. Dem eigenen Biorhythmus Beachtung schenken

Jeder Schlaf ist individuell. Jede Person hat individuelle Bedürfnisse. Es gibt auch tatsächlich die geborene Lerche oder Eule, die entweder früh oder spät aufsteht und auch schlafen geht. Wenn wir uns in unserem Alltag nach diesem angeborenen Biorhythmus richten können, umso besser.

Viele können dies jedoch nicht – weil sie beruflich entgegen dieser Zeiten eingebunden oder auch Eltern sind. Eltern entwickeln im ersten Jahr nach der Geburt ihres Kindes ein Schlafdefizit von 400 bis 600 Stunden. Wer gezwungen ist, entgegen seines Biorhythmus zu leben, sollte am Tag einige Dinge beachten: Power Naps also Mittagsschlaf, wann immer möglich, und Entspannungsübungen können dann hilfreich sein, z. B. Meditation zum Einschlafen.

Übrigens: Das Prinzip des Biohackings schließt hier ebenfalls an, den eigenen Biorhythmus zu verstehen und zu optimieren. Mehr zu Biohacking erfahren.

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Wie lange sollte man überhaupt schlafen?

Rein statistisch gesehen haben Menschen die höchste Lebenserwartung, wenn sie täglich 7,5 Stunden schlafen. Daran kann man sich orientieren, sollte sich aber bewusst machen, dass Pauschalaussagen hier nicht greifen. Es gibt Leute, die mehr Schlaf brauchen und es gibt solche, die mit weniger Schlaf genauso gut zurechtkommen. Ein Schlafrechner kann eine erste Anlaufstelle für die ideale Schlafdauer sein.

Haben Sie selbst jemals Schlafprobleme?

Ich beschäftige mich seit 40 Jahren mit dem Thema Schlaf und habe in dieser Zeit kaum schlaflose Nächte gehabt. Ich weiß aber natürlich auch, wie es geht. So vergeht zum Beispiel kein Tag, an dem ich nicht meine 6.500 Schritte vor dem Zubettgehen mache. Ich weiß, wann meine Schlaf- und Aufstehzeit ist und halte mich konsequent daran. Also nein, ich habe keine Schlafprobleme und genau wie ich, kann sich in diesem Zusammenhang jeder das Prinzip von Ursache und Wirkung zunutze machen. Man kann jeden Schlaf verbessern, aus einem schlechten Schläfer einen besseren und aus einem guten einen sehr guten Schläfer machen.