Kannst du mit Melatonin Schlafproblemen gute Nacht sagen?

Funktioniert Melatonin tatsächlich? Hier bekommst du detaillierte Antworten auf die Frage, ob Melatonin-Produkte wirksam und sicher sind.
Veröffentlicht 11. März 2022 | Aktualisiert 15. September 2022

Für eine gute Gesundheit und optimales Wohlbefinden brauchen die meisten Erwachsenen sieben bis neun Stunden Schlaf pro Nacht.1 Acht von zehn Erwerbstätigen liegen abends lange wach oder finden einfach nicht zur Ruhe, das geht aus einer Studie der DAK Gesundheit2 hervor.

Verständlicherweise wünschen sich viele Betroffene Erleichterung. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen, die nicht ausreichend schlafen, beispielsweise eher Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Gewichtskontrolle3 oder geistigen Leistungsfähigkeit4 haben. Langfristig kann Schlafmangel auch zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung bestimmter Krankheiten5 führen, wie zum Beispiel Herzerkrankungen, Depressionen oder Krebs.

In der Hoffnung auf eine bessere Nachtruhe spielen viele mit dem Gedanken, Melatonin-Präparate einzunehmen. Dabei handelt es sich um eine künstliche Form des natürlichen Hormons Melatonin, das im Gehirn gebildet wird und den Schlaf-wach-Rhythmus reguliert. Während sich der Markt für Melatonin-Produkte in den USA zwischen 2007 und 2012 mehr als verdoppelt hat, kommen in Deutschland diese Produkte erst nach und nach auf den Markt. Hersteller Melatonin-haltiger Produkte versprechen eine schnelle Lösung bei Einschlafschwierigkeiten und Jetlag-Beschwerden.

Aber verbessert Melatonin tatsächlich den Schlaf? Hier erfährst du alles Wissenswerte zu diesem beliebten Mittel. Dazu gehören auch Infos zu möglichen Anwendungsgebieten und zur sicheren Verwendung.

Was ist Melatonin, und wie funktioniert es?

Das gemeinhin als „Schlafhormon“ bezeichnete natürliche Melatonin wird im Gehirn von der Zirbeldrüse gebildet. Es steuert die innere Uhr des Körpers (den 24-stündigen Schlaf-wach-Rhythmus) und hilft dir so abends beim Einschlafen und morgens beim Aufwachen.

Wenn der Tag in den Abend übergeht, stellt der Körper mehr Melatonin her. Das ist eine biologische Reaktion auf die geringere Lichtintensität. Morgens wird die Melatonin-Produktion durch das Tageslicht gehemmt, sodass du leichter aufwachst.

Das bedeutet nun aber nicht, dass Melatonin wie ein Beruhigungsmittel wirkt. Genau genommen ist Melatonin kein schlafverstärkendes Hormon, sondern ein Hormon, das dem Körper die Tageszeit mitteilt.

Bestimmte Faktoren können die körpereigene Herstellung von Melatonin beeinträchtigen und den Schlaf stören:

Dazu gehört zum Beispiel das von Smartphone- und Fernsehbildschirmen oder bestimmten Lampen6 ausgestrahlte Licht. Auch das Alter spielt eine Rolle7. „Mit zunehmendem Alter lässt die Produktion von Melatonin nach. Das könnte erklären, warum manche ältere Menschen Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen haben“, sagt Dr. Kannan Ramar, Schlafmediziner an der Mayo Clinic und designierter Präsident der American Academy of Sleep Medicine (AASM).

Melatonin als Schlafmittel

Die Forschungen zur Effektivität von Melatonin bei der Behandlung von Schlafstörungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen8.

„Die vorliegenden Daten geben außerdem keinen Aufschluss darüber, wann und wie Melatonin am besten eingesetzt werden sollte“, führt Dr. Ramar aus.

Allerdings gilt eine kurzzeitige Anwendung von Melatonin (von unter drei Monaten) in der Regel als sicher9. Zudem weisen einige Forschungsergebnisse darauf hin10, dass Melatonin möglicherweise für Menschen hilfreich sein kann, die unter bestimmten Schlafstörungen leiden – vorausgesetzt, sie nehmen es zur richtigen Zeit und in der für die jeweiligen Probleme angemessenen Dosis ein.

Da Melatonin dem Körper die Tageszeit signalisiert, könnte es zur Linderung von Schlafproblemen beitragen, die durch eine aus dem Takt geratene innere Uhr entstehen, wie zum Beispiel beim Jetlag11 oder Schlafphasensyndrom12. Darüber hinaus könnte es älteren Menschen zu einem besseren Schlaf verhelfen.

Im Folgenden erhältst du einen detaillierten Einblick in die Forschungen zur Anwendung von Melatonin bei verschiedenen Schlafproblemen. Darüber hinaus geben wir dir alle verfügbaren Informationen zur richtigen Dosierung und Einnahmezeit.

1. Insomnie (Schlaflosigkeit)

Zur Wirksamkeit von Melatonin bei Insomnie13 (einer Schlafstörung, die sich durch Schwierigkeiten beim Ein- und/oder Durchschlafen bemerkbar macht) liegen noch keine abschließenden Erkenntnisse vor. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 201314 ergab, dass sich die Einschlafzeit von Testpersonen, die unter Schlaflosigkeit litten und Melatonin einnahmen, um ungefähr sieben Minuten verkürzte. Zudem schliefen sie länger und besser als die Probanden, die ein Placebo erhalten hatten. In anderen Untersuchungen hingegen, wie zum Beispiel einer kleinen in der Zeitschrift Journal of Psychiatry & Neuroscience veröffentlichten Studie aus dem Jahr 201315, zeigte sich keine Wirkung.

2. Jetlag

Bei Reisen über mehrere Zeitzonen hinweg erleben viele Menschen einen Jetlag, also eine Störung des biologischen Rhythmus, die das an die Ortszeit angepasste Einschlafen (und Aufwachen) erschwert. Ein Forschungsreview aus dem Jahr 201416 kam zu dem Schluss, dass Melatonin zur Linderung von Jetlag-Symptomen – nach Ostflügen ebenso wie nach Westflügen – wirksamer sein kann als ein Placebo. Für die Behandlung eines Jetlags mit Melatonin gibt es keine allgemeingültige Vorgehensweise.

3. Schichtarbeitersyndrom

Wenn du im Rahmen deiner Arbeit auch Nachtschichten übernimmst, hast du möglicherweise Schwierigkeiten, dann einzuschlafen, wenn du den Schlaf brauchst – in solchen Fällen also tagsüber. Könnte Melatonin dir helfen, ins Land der Träume zu gelangen? Die bisher durchgeführten Studien zu Schichtarbeit und Melatonin sind klein und liefern keine eindeutigen Ergebnisse17, so die Beurteilung des National Institutes of Health (NIH). So ergab zum Beispiel ein Review aus dem Jahr 201418, dass Personen, die zu unkonventionellen Zeiten arbeiteten und Melatonin nach einer Nachtschicht einnahmen, rund 24 Minuten länger schliefen als diejenigen, die ein Placebo eingenommen hatten. Allerdings belief sich die Zahl der Testteilnehmer auf nur 263.

Zudem zeigten sich bei anderen Aspekten wie zum Beispiel der Einschlafzeit keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Die Forscher bezeichnen ihre für Melatonin sprechenden Ergebnisse als „nicht sehr beweiskräftig“.

Wenn du Anzeichen eines Schichtarbeitersyndroms (eine aus unkonventionellen Arbeitszeiten entstandene permanente Störung des Schlafmusters) feststellst, solltest du mit deinem Arzt über mögliche Mittel und Wege sprechen, wie du zu einem besseren Schlaf finden kannst.

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4. Schlafphasensyndrom

Als Schlafphasensyndrom oder auch Syndrom der verzögerten Schlafphase bezeichnet man eine Störung des Schlaf-wach-Rhythmus, bei der die innere Uhr so programmiert ist, dass die Menschen später einschlafen und aufwachen, als es ihnen lieb ist. Sie schlafen also beispielsweise von 3 Uhr morgens bis 11 Uhr am Vormittag. „Für betroffene Personen, die ihren Schlafrhythmus auf eine frühere Zeit umstellen möchten, können Melatonin-Produkte hilfreich sein“, sagt Dr. Ramar.

Die hierzu vorliegenden Erkenntnisse ergeben zwar kein einheitliches Bild, sprechen aber eher für eine positive Wirkung.19 „Einige Daten lassen darauf schließen, dass eine Dosis von 0,1 bis maximal 0,5 Milligramm Melatonin (also eine Standarddosis) etwa vier bis fünf Stunden vor der gewünschten Schlafenszeit hilfreich sein kann“, führt Dr. Ramar aus. Wenn du also beispielsweise häufig bis 2 Uhr morgens wach bist, obwohl du lieber schon gegen 22 Uhr schlafen würdest, kann die Einnahme einer Dosis Melatonin zwischen 17 und 18 Uhr hilfreich sein.

Andere gesundheitliche Vorteile von Melatonin

Einige Vorstudien deuten darauf hin, dass Melatonin nicht nur potenzielle Vorteile für einen guten Schlaf bietet, sondern auch eine Hilfe im Zusammenhang mit anderen gesundheitlichen Problemen sein kann. Um diese Annahmen bestätigen zu können, sind weitere Forschungen notwendig. Eine eventuelle Anwendung von Melatonin aus einem der folgenden Gründe muss mit einem Arzt abgeklärt werden, da sich die Ergebnisse der Studien auf hohe Dosierung beziehen, die in Apotheken nicht frei verfügbar sind.

1. Melatonin als Antioxidans

Mehrere Studien untermauern, dass Melatonin antioxidative Eigenschaften besitzt.20 Das Hormon wirkt nachweislich oxidativen Schädigungen von Zellen und Gewebe entgegen und regt die Produktion von Enzymen an, die freie Radikale abbauen.21 Ebenfalls erwiesen ist, dass Melatonin entzündungshemmend wirkt.22

2. Melatonin und Tinnitus

Einige Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Melatonin möglicherweise die Symptome eines Tinnitus lindern kann, bei dem Betroffene ein ständiges Klingeln, Summen oder Rauschen in einem Ohr oder in beiden Ohren hören.23 Ein Tinnitus kann die Folge einer Gehörschädigung oder einer Grunderkrankung wie Bluthochdruck sein oder auch durch bestimmte Medikamente wie Aminoglykosid-Antibiotika hervorgerufen werden.

Im Rahmen einer kleinen Studie verzeichneten Patienten, die einen Monat lang abends 3 Milligramm Melatonin erhielten, signifikante Verbesserungen ihrer Tinnitus-Symptome im Vergleich zu einer Placebogruppe.24 Eine andere Untersuchung ergab, dass Melatonin bei durch Aminoglykosid-Antibiotika oder chemotherapeutische Krebsmedikamente verursachtem Tinnitus bis zu 150-mal wirksamer ist als andere Mittel.25

3. Melatonin und Krebs

Einem in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Oncotarget veröffentlichten Forschungsreview aus dem Jahr 2017 zufolge verfügt Melatonin über krebshemmende Eigenschaften.26 Der Großteil der gegenwärtigen Forschungen bezieht sich auf Melatonin und Brustkrebs. In Laborversuchen wurde nachgewiesen, dass Melatonin antiproliferativ auf Brustkrebszellen wirkt27, das Wachstum von Mammatumoren bei Ratten hemmt28 und den programmierten Tod von Krebszellen, die sogenannte Apoptose, einleitet.29

Jedoch gibt das NIH zu bedenken, dass die Studien zu Melatonin und Krebs unterschiedliche Ergebnisse aufweisen und Melatonin sich auf die im Rahmen einer Standardbehandlung verabreichten Krebsmedikamente auswirken kann.

4. Melatonin und Darmgesundheit

Einige Studien legen nahe, dass Melatonin durch seine antioxidativen Eigenschaften zur Behandlung von Magengeschwüren und Sodbrennen eingesetzt werden kann. Aus einer kleinen Studie mit 36 Probanden ging hervor, dass Melatonin – allein oder in Kombination mit dem Medikament Omeprazol – die Magen-Darm-Schleimhaut vor oxidativen Schäden schützen und Symptome der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) wie zum Beispiel Sodbrennen lindern kann.30

Eine andere kleine Studie mit 42 Testpersonen ergab, dass durch Helicobacter-Bakterien (Helicobacter pylori) verursachte Magengeschwüre mithilfe der oben genannten Wirkstoffkombination schneller geheilt werden konnten als mit der alleinigen Gabe von Omeprazol.31 Es bedarf jedoch noch weiterer Studien, um feststellen zu können, wie wirksam Melatonin bei der Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen ist.

5. Melatonin und Augengesundheit

Da der Körper mit zunehmendem Alter weniger Melatonin produziert, könnten Melatonin-Produkte älteren Menschen eine gewisse Erleichterung im Hinblick auf altersbedingte Sehstörungen verschaffen. Eine vorläufige Fallstudie zeigte, dass Probanden mit altersbedingter Makuladegeneration, die über einen Zeitraum von mehreren Monaten täglich 3 Milligramm Melatonin einnahmen, offenbar ein verlangsamtes Fortschreiten ihrer Sehstörungen feststellten.32

Darüber hinaus scheint Melatonin auch eine schützende Wirkung auf die Netzhaut auszuüben. Auch hier sind weitere Forschungsarbeiten notwendig, insbesondere zu der langfristigen Anwendung von Melatonin, die in diesen Fällen vermutlich notwendig wäre.

Nebenwirkungen von Melatonin

Obwohl Melatonin-Produkte ein natürliches körpereigenes Hormon imitieren, ist noch abschließend zu erforschen, welche potenziellen Nebenwirkungen eine umfassendere Anwendung nach sich zieht.

Ein in der Fachzeitschrift Clinical Drug Investigation veröffentlichter Review aus dem Jahr 2015 zur Sicherheit von Melatonin-Produkten ergab, dass unter anderem die folgenden milden Nebenwirkungen auftreten können33:

  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Übelkeit
  • Müdigkeit

Solltest du derzeit regelmäßig Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, ist es ratsam, mithilfe deines Arztes abzuklären, ob es zu möglichen Wechselwirkungen kommen kann, wenn du zusätzlich Melatonin nimmst.

Auch wenn melatoninhaltige Präparate derzeit ohne Rezept verkauft werden, so ist die rechtliche Lage etwas vertrackt. Schaut man in die Arzneimittel-Verschreibungsverordnung, wird Melatonin dort als rezeptpflichtig gekennzeichnet. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. So gibt es viele melatoninhaltige Präparate im freien Verkauf, weil Hersteller ihre Produkte als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) deklarieren und eben nicht als Arzneimittel auf den Markt bringen.

Wenn du ein Melatonin-Produkt einnehmen möchtest, solltest du also besser vorab mit deinem Arzt sprechen.

Fazit: Solltest du Melatonin einnehmen?

Frei verkäufliche Melatonin-Produkte sind für viele Menschen, die sich nach einem besseren Schlaf sehnen, ein beliebtes Mittel. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Melatonin helfen kann, die innere Uhr (den zirkadianen Rhythmus) gut einzustellen, und so eine erholsamere Nachtruhe fördert. Das gilt insbesondere für Erwachsene, die unter einem Jetlag, dem Schlafphasensyndrom oder vorübergehender Schlaflosigkeit leiden. Meist werden dann aber höhere Dosen verabreicht, als sie in Deutschland verkäuflich sind.

Insgesamt betrachtet ergeben die Forschungen zu einer Anwendung von Melatonin allerdings kein einheitliches Bild, und auch Nebenwirkungen sind möglich. Die Auswirkungen von Melatonin auf andere gesundheitliche Probleme (wie Tinnitus oder Krebs) sind noch unklar und nicht hinreichend erforscht.

Gute Schlafhygiene spielt eine entscheidende Rolle für eine bessere Schlafqualität. Zu schlaffördernden Gewohnheiten gehört es zum Beispiel, sich an regelmäßige Schlafenszeiten zu halten und sich tagsüber hellem Licht auszusetzen. Abends hingegen sollte man das von elektronischen Geräten ausgestrahlte Licht in der Stunde vor der Schlafenszeit meiden.

Wenn du Melatonin einnehmen möchtest, solltest du das vorab mit deinem Arzt besprechen.

Dieser Artikel wurde im Juli 2021 von Dr. Stephanie L. Fitzpatrick (PhD), verantwortlich für multikulturelle Programme bei WW, auf seine Richtigkeit überprüft. Das WW Science Team ist eine Gruppe von Fachleuten, die sicherstellen, dass alle unsere Antworten auf fundierten Forschungsergebnissen beruhen.