Diabetes – welche Rolle spielt Stress?

Wissenswertes und Tipps, wie du Stress vermeiden und reduzieren kannst
Veröffentlicht 13. September 2022
Mann mit kurzen Haaren bereitet in Küche ein Getränk zuMann mit kurzen Haaren bereitet in Küche ein Getränk zu

Laut der Schweizerischen Gesundheitsbefragung des BFS1 empfanden im Jahr 2017 rund 21% der Erwerbstätigen sehr häufig Stress bei der Arbeit. Wer kennt das nicht – ein voller Terminkalender, zahlreiche private Termine und Konflikte im Privat- oder Berufsleben … ?

Wenn dann noch die (Neu-) Erkrankung Diabetes hinzukommt, ist das für viele eine doppelte Belastung. Wie genau Stress und Diabetes miteinander verbunden sind und welche Wechselwirkungen es geben kann, erfährst du hier.

Was löst Stress im Körper aus?

Verschiedene Situationen können bei uns zu Stress führen – Überstunden, wichtige To-dos, Ärger im Job oder im Privatleben, finanzielle Unsicherheit, Verkehr oder Gesundheitsprobleme. Allen gemein ist die körperliche Reaktion, die dadurch hervorgerufen wird:

Fühlen wir uns gestresst, wird unser Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Stresshormone wie z.B. Cortisol und Adrenalin sorgen u.a. dafür, dass

  • der Blutdruck steigt,
  • die Herzfrequenz zunimmt,
  • Muskeln stärker durchblutet werden und
  • in der Leber vermehrt Glukose freigesetzt wird und so der Blutzuckerspiegel steigt.

Diese Reaktion ist evolutionsbedingt sinnvoll, da sie den Körper auf Flucht vorbereitet und Energie mobilisiert. Doch in den heutigen Stresssituationen müssen wir nicht fliehen, unser Körper braucht keine zusätzliche Energie. Während früher der erhöhte Blutzuckerspiegel nach erfolgter Flucht oder Kampf wieder sank, bleibt dies heute aus – der Blutzuckerspiegel bleibt erhöht.

Erhöht Stress den Blutzuckerspiegel?

Ja, es gibt tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Stress und einem erhöhten Blutzuckerspiegel: Zusätzlich zur Freisetzung von Glukose hemmt Cortisol gleichzeitig die Wirkung des Insulins – die sogenannte Insulinresistenz kann zunehmen. Also zwei Mechanismen, die dafür sorgen, dass der Blutzuckerspiegel ansteigt.

Gut zu wissen:

das Schlüssel-Schloss-Prinzip

Bei gesunden Menschen öffnet das Hormon Insulin (Schlüssel) die Körperzellen (Schloss), sodass der Blutzucker aus dem Blut in die Körperzellen gelangen und dort zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Wenn wie bei Diabetes Insulin fehlt (Insulinmangel, bei Typ-1-Diabetes) oder das Insulin nicht richtig wirken kann (Insulinresistenz, v.a. bei Typ-2-Diabetes), dann kann der Blutzucker nicht ins Zellinnere gelangen – die Blutzuckerwerte steigen.

Stress beeinflusst unseren Lebensstil

Neben den beschriebenen körperlichen Reaktionen, die durch Stress verursacht werden, gibt es aber auch noch weitere negative Auswirkungen. Wer sich (dauerhaft) gestresst fühlt, lebt meist auch ungesünder:

  • Man isst ungesünder.
  • Man bewegt sich weniger.
  • Raucher greifen häufiger zur Zigarette.
  • Es wird mehr Alkohol getrunken.

Diese ungesunden Lebensgewohnheiten können zu einer Gewichtszunahme führen und Übergewicht begünstigen, was wiederum das Diabetesrisiko erhöht.

Auch Schlafmangel2 – häufig bedingt durch zu viel Stress – oder unregelmäßige Schlafenszeiten können das Risiko für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes erhöhen.

So zeigen unterschiedliche Studien und Untersuchungen, dass eine Schlafdauer von nur 5 bis 6 Stunden pro Nacht das Diabetesrisiko erhöht. Die genauen Ursachen für den Zusammenhang sind noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich spielt es eine Rolle, dass bei Schlafmangel Hunger und Appetit erhöht sind – und damit auch die Kalorienzufuhr.3

Stress als Risikofaktor: Kann Diabetes durch Stress entstehen?

Stress und die Entstehung von Typ-1-Diabetes

Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit, bei der das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen zerstört. Die Folge: Das Stoffwechselhormon wird vom Körper nicht mehr hergestellt und Nahrungsbestandteile wie Zucker können nicht mehr verarbeitet werden. Deswegen müssen Menschen mit Typ-1-Diabetes täglich Insulin zuführen, um den Blutzuckerspiegel in Balance zu halten.

Die genetische Veranlagung spielt zwar eine Rolle als Risikofaktor für die Entwicklung des Typ-1-Diabetes. Doch führt sie nicht unbedingt zum Ausbruch der Erkrankung. Neben der Vererbung spielen z.B. auch Umwelteinflüsse eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieser Diabetesform. Welche das genau sind, muss noch weiter erforscht werden.4

So scheinen Stress oder einschneidende frühkindliche Erlebnisse wie schwere Krankheiten, Todesfälle in der Familie oder Familienkonflikte das Risiko für Typ-1-Diabetes zu erhöhen.5

Stress und die Entstehung von Typ-2-Diabetes

Typ-2-Diabetes ist die häufigste Form der Stoffwechselerkrankung. Bei Betroffenen liegt eine Insulinresistenz (das körpereigene Insulin ist in seiner Wirkung eingeschränkt), ein Insulinmangel oder beides vor.

Zu den bekanntesten Risikofaktoren für einen Typ-2-Diabetes zählen Übergewicht und Bewegungsmangel. Doch zahlreiche Untersuchungen zeigen mittlerweile, dass auch chronischer Stress als eigenständiger Risikofaktor die Entstehung eines Typ-2-Diabetes fördern kann.6 Dabei können sowohl physiologische als auch psychische Stressfaktoren das Risiko erhöhen.

Physiologischer Stress
Psychischer Stress
  • Rauchen, Alkohol
  • Ungesunde Ernährung
  • Bewegungsmangel
  • Ozon
  • Luftverschmutzung
  • Belastende Arbeitssituation
  • Traumatische Ereignisse
  • Persönlichkeit, mentale Probleme, aggressives Verhalten, Konflikte
  • Niedriger sozioökonomischer Status
  • Zugehörigkeit zu einer Minderheit

Ob allein Stress am Arbeitsplatz negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, hat das wissenschaftliche Team um Prof. Dr. Karl-Heinz Ladwig und Cornelia Huth am Helmholtz Zentrum München untersucht. Sie fanden heraus, dass Personen mit einer hohen Arbeitsbelastung und gleichzeitig geringen Handlungs- und Entscheidungsspielräumen ein etwa 45 % höheres Risiko für Typ-2-Diabetes haben als Personen mit geringer Belastung am Arbeitsplatz.7

Mehr zu den Diabetestypen liest du hier.

Wie wirkt sich Stress bei Diabetes aus?

Stress kann nicht nur das Risiko für Diabetes erhöhen, sondern gleichzeitig auch die Folge von Diabetes sein. Warum? Stell dir vor, du hast vor Kurzem die Diagnose Diabetes bekommen und hast das Gefühl, dass sich plötzlich dein ganzes Leben verändert hat. Ständig musst du dich an Regeln halten – deinen Blutzuckerspiegel eventuell mehrmals am Tag messen, dir Gedanken über deine Ernährung machen und auf ausreichend Bewegung achten. Falls du Medikamente einnehmen musst, kreisen deine Gedanken vielleicht ständig darum. Habe ich alles dabei? Was ist, wenn ich unterzuckert bin? Wie viele Medikamente muss ich einnehmen und in welchen Abständen? Wenn du ein System zur kontinuierlichen Glukosemessung oder eine Insulinpumpe verwendest, brauchst du vielleicht etwas länger für die Wahl deiner Kleidung, weil du unsicher bist und nicht willst, dass Freunde oder Kollegen das Gerät sehen.

Gleichzeitig kennst du auch die möglichen Folgeerkrankungen bei Nichteinhalten der Therapie oder hast diese sogar selbst schon erlebt. Das alles ist dir zu viel und du würdest deinen Diabetes am liebsten einfach komplett ausblenden. Du fragst dich immer wieder, warum es ausgerechnet dich treffen musste, und wünschst dir, der Diabetes würde verschwinden.

Diese emotionale Dauerbelastung nennt man Diabetes-Distress. Also die negative Gefühls- und Stimmungslage im Zusammenhang mit den Herausforderungen, die das Leben oder der Umgang mit Diabetes mit sich bringt.8 Dabei kann Diabetes-Distress zu jedem Zeitpunkt im Leben eines von Diabetes betroffenen Menschen auftreten: im Moment der Diagnose ebenso wie nach jahrelanger Behandlung.9

Schätzungen zufolge erleben weltweit 36 % aller Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes diabetesbezogenen Distress.10

Was sind die Symptome von Diabetes-Distress?8,9
  • Gefühl der Überforderung
  • Gefühl der Angst oder Scham, oft bezogen auf das Körpergewicht oder die Essgewohnheiten
  • Gefühl der Machtlosigkeit und Hoffnungslosigkeit
  • Angst vor Unterzuckerung
  • Sorgen oder wiederholtes Nachdenken über aktuelle oder zukünftige Folgeerkrankungen
  • Frustration gegenüber medizinischen Fachkräften (und damit einhergehend Misstrauen und verpasste Termine)

Dieser Dauerstress bewirkt wiederum, dass der Cortisolspiegel und damit der Blutzuckerspiegel ansteigt (siehe Abschnitt „Was löst Stress im Körper aus?“). Bei Menschen mit Diabetes kann sich also zusätzlicher Stress negativ auf den Behandlungserfolg auswirken.

Diabetes-Distress vs. Depression

In diesem Zusammenhang stellt sich häufig die Frage: „Ist das nicht eigentlich eine Depression?” Trotz ihrer Ähnlichkeiten sind Diabetes-Distress und Depression zwei unterschiedliche Erkrankungen. Diabetes-Distress wird oft als das „emotionale Leiden bei Diabetes“ bezeichnet, es ist weiter verbreitet und steht in engerem Zusammenhang mit dem Selbstbehandlungsverhalten und klinischen Ergebnissen wie dem HbA1c-Wert als eine Depression. Ein erhöhter Distress scheint jedoch das Risiko für das Auftreten und Fortbestehen einer Depression zu erhöhen. Aber auch eine erhöhte Depressivität scheint dafür verantwortlich zu sein, dass Diabetes (oder seine Therapie) als belastender empfunden wird.

Depressionen treten bei Menschen mit Diabetes doppelt so häufig auf wie bei jenen, die nicht unter der Stoffwechselerkrankung leiden.11

Gut zu wissen

In einer klinischen Studie mit erwachsenen Teilnehmern, die mit Typ-2-Diabetes leben, brachte das WW Programm verglichen mit einer kurzen allgemeinen Diabetes-Ernährungsberatung und Diabetesschulung im Verlauf von 12 Monaten eine deutliche Verbesserung beim Diabetes-Distress.12

So geht’s: mit Bewegung Stress reduzieren

Du hast nun eine Menge über die Wechselbeziehung zwischen Stress und Diabetes gelesen. Auf der einen Seite kann Stress das Diabetesrisiko erhöhen. Gleichzeitig kann Diabetes zu Stress führen (Diabetes-Distress). Also direkt zwei Gründe, um den Stress langfristig in den Griff zu bekommen. Neben mentalen Strategien ist auch körperliche Aktivität eine sehr effektive Methode, um Stress abzubauen. Gerade im Kontext Diabetes haben Bewegung und Sport einen besonderen Stellenwert. Denn zum einen wirkt sich körperliche Aktivität positiv auf viele Risikofaktoren aus, die entweder zu einem Diabetes Typ 2 oder bei bestehendem Diabetes zu Folgeerkrankungen führen können. Hier sind insbesondere die positiven Wirkungen auf den Blutzucker und auf Entzündungsprozesse zu nennen.13 Zum anderen wirken sich Bewegung und Sport positiv auf unsere psychische Gesundheit aus, indem sie den Stressabbau fördern und unser Wohlbefinden steigern. Für viele Betroffene im Übrigen die zentrale Motivation, um aktiv zu werden.

Mit diesen Sportarten kannst du Diabetes-Distress entgegenwirken

Empfohlen wird im Zusammenhang mit Diabetes neben den klassischen Ausdauersportarten wie Laufen, Walking, Nordic Walking, Radfahren oder Schwimmen ein regelmässiges Krafttraining. Aber auch Body-and-Mind-Sportarten wie Yoga, Qigong oder Tai-Chi wirken sich positiv auf unser Wohlbefinden aus und verbessern die Regulierung des Blutzuckers.14,15,16

Wie wäre es also, mal wieder eine Runde um den Block zu drehen, in der Mittagspause einen Spaziergang durch den Park zu machen oder fürs Wochenende eine Radtour mit Freunden zu planen? So wie es dir gefällt.

Wichtig dabei: Mach dir keinen Stress mit dem Vermeiden von Stress. Auch nicht im Hinblick auf Bewegung und Sport. Wenn du dich nämlich immer zu etwas aufraffen musst, wozu du eigentlich keine Lust hast, oder wenn du es mit dem Sport übertreibst, weil du zu viel trainierst oder dir zu hohe Ziele steckst, baut das keinen Stress ab, sondern fördert neuen Stress – und das wäre einfach schade und kontraproduktiv!

Mit WeightWatchers kannst du Stress reduzieren

Auch unser WW Programm hilft dir dabei, entspannter durch den Tag zu kommen.

  • Zahlreiche Workout-Ideen oder Trainingspläne, Challenges etc. inspirieren dich, aktiver zu werden und dabei Stress abzubauen.
  • Das PersonalPointsTM Programm unterstützt dich dabei, ein hilfreiches Mindset zu entwickeln, dazu zählt z.B. das Thema Selbstmitgefühl – also eine positive Einstellung dir selbst gegenüber. So zeigen Untersuchungen, dass Selbstmitgefühl die negativen Auswirkungen von Diabetes-Distress auf den HbA1c-Wert abfedern oder senken kann.17,18,19
  • Aber auch Achtsamkeitsübungen, wie z.B. Atemtechniken oder Meditation, reduzieren nachweislich signifikant den Diabetes-Distress.20 Verschiedene Meditationstechniken und Atemübungen findest du in unserer WW App.

Hinweis:

Bitte beachte, dass WW keine medizinische Organisation ist und weder Empfehlungen und medizinische Ratschläge zum Umgang mit Diabetes-Distress erteilen noch eine entsprechende Diagnose stellen kann. Solltest du mit Diabetes-Distress oder anderen mentalen Problemen zu kämpfen haben, solltest du dich für weitere Unterstützung an deinen Arzt oder Therapeuten wenden.